Landtag debattiert über Ruhrgebietsförderung

Thomas Eiskirch fordert in seiner Plenarrede den fairen Wettbewerb für das Ruhrgebiet:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Löhrmann hat vorhin gesagt: Wir wollen zeigen, dass wir uns ordentlich Gedanken gemacht haben. – Das haben Sie, keine Frage; Sie haben sich sowohl ordentlich Gedanken gemacht als auch das gezeigt.

Das haben Sie, keine Frage; Sie haben sich sowohl ordentlich Gedanken gemacht als auch das gezeigt.
– Keine Frage! – Wenn in unseren Kreis irgendwann wieder einmal ein neuer Kollege oder eine neue Kollegin käme und mich fragen würde, wo man eine gute, kurze und verständliche Zusammenfassung, einen Überblick über das bekommt, was Ziel 2 bedeutet, dann würde ich sagen: Guck mal in den Grünen-Antrag zum Plenum am 22. Juni 2006! Da kann man sich einen ganz guten Überblick verschaffen.
Das Ganze ist ja eher ein Kleinkompendium als ein Antrag. Ich finde den Antrag gut und verständlich. Ich glaube allerdings, dass an der ein oder anderen Stelle ein falscher Schluss gezogen wird. Ich bin bezüglich der Gießkanne etwas anderer Auffassung, und ich glaube eigentlich nicht, dass wir Prozentsätze für das Revier brauchen – ganz im Gegenteil –, und bei Leverkusen finde ich es, was die Daten angeht, ein bisschen fraglich, ob wir mehr als ein sozioökonomisches Kriterium finden, was die Bedürftigkeit dort begründet.
Aber das sind Dinge, über die wir meines Erachtens – und so ist der Antrag auch ausgelegt – miteinander ist einen Diskurs eintreten sollten. Ich denke, der Antrag macht auch deutlich, dass er in den Ausschuss gehört und dass wir ihn dort in der nötigen Breite und mit der nötigen Ruhe diskutieren sollten. Es wäre nicht angemessen, in einer kurzen Plenardebatte etwas, was so ausführlich aufgefächert ist und wo es in der Umsetzung hinterher ums Detail geht, soeben nebenbei zu machen. Ich fände es also schön, wir würden uns alle die Zeit und die Ernsthaftigkeit nehmen, daran gemeinsam zu arbeiten, um nach Möglichkeit zu einer gemeinsamen Auffassung zu kommen. Sicher, dass uns das gelingt, bin ich mir allerdings nicht.
Ich möchte also nicht in die Tiefe dieses Antrags gehen, sondern nur ganz konkret auf drei Punkte eingehen.
Erstens: Wachstums- und Ausgleichsziele im EFRE-Programm. Ich glaube nicht, dass es um ein Nebeneinander geht, sondern Ausgleichs- und Wachstumsziele müssen miteinander erreichbar sein. Die Wachstumsziele müssen so verfolgt werden, dass die Ausgleichszielerreichung nicht gefährdet wird. Dort, wo man Wachstumsziele verfolgt, darf man dies nicht so tun, dass die Ausgleichszielerreichung weiter erschwert wird. Das wäre nicht im Sinne des Erfinders und das sollten wir nicht tun.
Wer zum Beispiel bei der Innovationsförderung, der Gründungs- und der KMU-Förderung nur die Wachstumsziele im Auge hat, der springt zu kurz und wird die Regionen, die noch Nachholbedarf haben, weiter abhängen, anstatt sie heranzuholen, und somit das Ausgleichsziel immer weiter aus dem Auge verlieren. Die Wachstumszielorientierung darf nicht dazu führen, dass die Schere immer größer wird und somit die Ausgleichsziele immer unerreichbarer werden. Also lassen Sie uns gucken, wie wir damit umgehen, Wachstums- und Ausgleichsziele so miteinander zu verknüpfen, dass wir nicht vornehmlich nur das eine im Auge haben.
Zweitens: Fördergebietskulisse. Ich sage ganz offen: Ich war auch dagegen, weiterhin irgendwelche Grenzen zu ziehen, die straßenscharf sagen, wo ein Fördergebiet ist und wo nicht. Aber die Aufhebung der Fördergebietskulisse soll nicht durch Beliebigkeit ersetzt werden. Dass ich machen kann, was ich will und wo ich es will, ist nicht Sinn und Zweck der Aufhebung der straßenscharfen Fördergebietskulisse, meine Damen und Herren.
Wenn man glaubt, man könne überall im Land fördern – nach dem Motto: wenn es nicht dem Ausgleichsziel gilt, dann gilt es eben dem Wachstumsziel, irgendeinem Ziel wird es schon dienen –, dann kann ich nur sagen: Wenn Sie uns in der Vergangenheit das Prinzip Gießkanne vorgeworfen haben, wäre das das Anwerfen eines Rasensprengers.
Da wäre ich sehr vorsichtig. Wir sollten genau hinschauen, dass das nicht passiert, und sehr zurückhaltend damit umgehen.
Ich bin sehr dafür, dass wir für die Gebietskulisse – die dann keine straßenscharfe Fördergebietskulisse mehr ist, sondern eine Kulisse, zu der man Kriterien finden muss, wo Ausgleichsziele besonders verfolgt werden sollen – die Indikatoren zur Festsetzung der Fördergebietsbereiche für die Ausgleichszielverfolgung miteinander vereinbaren.
Ich sage ganz klar Ja zum Wettbewerb. Das haben wir auch in den letzten Wochen und Monaten nicht anders getan. Aber ich meine damit einen Wettbewerb in den Bereichen – ohne diese straßenscharfe Grenzziehung, in denen die Ausgleichszielerreichung notwendig ist. Es müssen objektive sozioökonomische Kriterien zugrunde gelegt werden, Kolleginnen und Kollegen, um diese Zielgebiete miteinander zu definieren.
Der Zukunftswettbewerb Ruhr ist ein Beleg dafür, wie Wettbewerbe konzipiert sein sollten. Generell gilt: Mittel werden, wo immer möglich, im Wettbewerb innerhalb der strukturschwachen Regionen vergeben – nicht nur zwischen Regionen, was Wachstumsziele angeht, sondern auch, was Ausgleichsziele angeht, innerhalb der Regionen. Die Wettbewerbsvoraussetzungen müssen fair und transparent sein. Schlechtere Startbedingungen müssen dazu führen, dass man erst recht eine Chance und nicht schlechtere Startbedingungen in diesem Wettbewerb hat. Das System der Wettbewerbe muss die Startvoraussetzungen, das heißt die sozioökonomischen Indikatoren, der Region berücksichtigen.
Die Ziel-2-Mittel sollen sich dort nach ebendiesen Kriterien verteilen. Man muss aber schauen, dass Kooperationen berücksichtigt werden können, ohne das Grundziel zu negieren. Ich bin durchaus dafür, dass dies an solchen Festlegungen nicht scheitern sollte. Ich glaube, da sind wir auf einem einvernehmlichen Weg.
Ich meine aber auch, dass wir uns die Gebietskulissen, die dafür infrage kommen, noch einmal genau ansehen sollten. Beim bergischen Dreieck bin ich mittlerweile ein ganzes Stück näher bei Ihnen, Frau Löhrmann. Bei Leverkusen, aber auch in anderen Bereichen würde ich ganz gerne noch einmal gucken, ob das so richtig ist. Ich persönlich glaube, das ist nicht der Fall, sondern es wird das Ruhrgebiet und das bergische Städtedreieck sein. Sonst hat man irgendwann zu viele Gebiete, wohin der Ausgleich angeblich muss, und dann ist man schließlich auch dort, wo man eben nicht zielgenau die Regionen trifft, in denen die Ausgleichsziele am dringendsten zu erreichen sind.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, glaube ich auch nicht, dass wir einen Prozentsatz für das Ruhrgebiet oder andere Regionen brauchen. Ich meine, dass wir bei fairen Bedingungen zur Schaffung der Gebietskulisse, also der Gebietskriterien, und bei fairen Bedingungen, wenn man die Wettbewerbskriterien festlegt, ein starkes Ruhrgebiet in diesem Prozess haben werden, das deutlich mehr als die von Ihnen im Antrag beschriebenen mindestens 50 % erreichen wird, weil es diese zum einen braucht, aber weil es auch die Kraft in den Projekten haben wird, diese zu bekommen. Ich wäre darüber sehr froh.
Dann sind Sie uns noch ein Konzept schuldig zum Thema „privates Geld“. Sie haben hier groß und breit angekündigt, Sie würden das hinbekommen, privates Geld mit hereinzuziehen. Ich weiß bis heute nicht, wie es im laufenden Förderzeitraum aussieht. Dazu habe ich keine neuen Erkenntnisse. Wenn Sie welche haben, wäre ich sehr froh, wenn Sie uns diese gleich kundtun würden. – Und wie sieht es in der neuen Periode aus? Da gibt es bis jetzt auch noch keine endgültig festgelegte …
(Ministerin Christa Thoben: Doch!)
– Sie gibt es mittlerweile? Wir bekommen es nicht rein?
(Ministerin Christa Thoben: Doch!)
– Doch, wir bekommen es rein. 85 % war doch die Grenze. Wunderbar.
Dann möchte ich gerne zu dem Punkt kommen: Wenn es denn einbezogen werden kann, wäre es sehr notwendig, dass Sie uns ein Konzept vorlegen, wie es einbezogen werden kann. Es wäre wirklich fatal, wenn die Einbringung privaten Geldes mehr oder minder durch die Kriterienfestlegung Wettbewerbsvoraussetzung oder wettbewerbsbegünstigender Faktor wäre in den Ausgleichszielbereichen, weil man schlicht und ergreifend diejenigen, die über diese Möglichkeiten strukturell nicht verfügen, sofort wieder einem Wettbewerbsnachteil anheim geben würde. Insofern wäre ein Konzept, wie es mit dem privaten Geld funktionieren soll, sehr vernünftig und richtig.
Lassen Sie mich noch einen dritten Punkt ansprechen, bevor ich zum Ende komme: die Transparenz der Ko- und Komplementärfinanzierung. Frau Thoben, ich wäre sehr froh, wenn die Herumeierei vorbei wäre. Es war wirklich ein Trauerspiel, wie im Ausschuss, in den Berichterstattergesprächen und in den Kleinen Anfragen herumgeeiert wurde, wie für die laufende Förderperiode die Komplementärfinanzierung in den einzelnen Projekten aus den verschiedenen Haushalten aussieht.
Ich finde: Gerade bei den Summen, um die es in der laufenden Förderperiode und im letzten Jahr geht, ist Transparenz gegenüber dem Landtag mehr als gerechtfertigt. Ich bitte Sie, dafür zu sorgen.
Ich wäre auch dankbar dafür, Frau Ministerin Thoben, wenn Sie uns hier und heute sagen könnten, ob Ihr Ansinnen, ab dem Haushalt 2007 durch ein Zusammenziehen in Ihrem Haushalt eine Transparenz zu erlangen, gelungen ist oder ob wir auch im Haushalt 2007 schauen müssen, wo wir die einzelnen Zahlen finden.
Ich fände es gut, wenn ab 2007 die Herumeierei, was die Komplementärfinanzierung angeht, ein Ende hätte. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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